Jeder, der schon ein paar Jahrzehnte auf diesem Erdball hinter sich hat, durfte es live miterleben: Computerspiele begannen in eher dürftiger Ausstattung, oftmals langsam und stockend, mauserten sich aber zu wahren digitalen Alleskönnern. Die Grafiken explodierten spätestens ab dem Jahr 2000, sie wurden zunehmend wirklichkeitsgetreuer. Einige Animationen in modernen Spielen sind kaum noch von realen Filmaufnahmen zu unterscheiden, ganz zu schweigen von der enormen Rechenkapazität, die ein einziger PC oder sogar nur ein Smartphone aufwendet.
Wir schauen uns die Entwicklung gemeinsam anhand von drei Punkten an: der Geschwindigkeit, der Intensität und der dahintersteckenden Intelligenz. Eines schon mal vorweg: Texas Hold‘Em am Rechner zu zocken, ist beispielsweise längst nicht mehr dasselbe wie früher.
Von der erfüllten Sehnsucht nach Geschwindigkeit
Schon allein, dass sämtliche Spiele blitzschnell verfügbar sind, war in alten Zeiten alles andere als eine Selbstverständlichkeit. In den 80er Jahren steckte der geneigte Gamer noch seine Datasette oder die Diskette ins Ladegerät, gab einen Befehl in den Rechner ein und wartete minutenlang, bis sich etwas auf dem Monitor tat. Manche Ladevorgänge gingen auch zwischendurch schief, sodass ein Neustart erforderlich wurde. Dieser langwierige Prozess hat sicherlich dem einen oder anderen Spieler schon im Voraus die Laune verdorben, doch es gab nun einmal keine andere Möglichkeit.
In C64-Spielen wie Trailblazer oder Retroball sausten die Bälle zwar ziemlich schnell über das Feld, doch im Gegenzug dazu erlaubte die Rechenkapazität nur sehr einfache grafische Darstellungen. Nebenbei ließ die Reaktionsgeschwindigkeit der Spiele oftmals zu wünschen übrig, sodass ein eigentlich rechtzeitig produzierter Befehl nicht die gewünschte Wirkung entfaltete. So mancher Joystick landete deshalb aufgrund eines Wutanfalls an der Zimmerwand.
Die Sehnsucht nach mehr Geschwindigkeit war schon damals groß, sie erfüllte sich aber erst viel später mit dem Aufkommen des PCs. Die neue digitale Welt kommt dem Drang nach möglichst kurzweiliger, technisch reibungsloser Unterhaltung schon sehr viel besser entgegen. Das lässt sich unter anderem auch an den heutigen Filmproduktionen erkennen, die meist viel mehr Action und weniger langsame Szenen bieten als damals. In dieselbe Kerbe schlagen die derzeitigen Top-Games: Sie lassen den User möglichst gar nicht mehr zur Ruhe kommen.
Selbst klassische Spiele wie Poker werden heute immer schneller – und zwar in der digitalen und analogen Form. Während es beim Schach schon länger Shotclocks gibt, werden diese auch immer öfters bei Pokerturnieren eingesetzt, um die Bedenkzeiten von mehreren Minuten pro Zug auf eine Minute zu reduzieren. So bleibt das Geschehen für TV und Streaming attraktiv. In der digitalen Form gibt es bereits seit einigen Jahren Poker Varianten wie Snap, wo der Spieler nach einer Entscheidung sofort die nächste präsentiert bekommt. Insbesondere für kurze Runden zwischendurch lässt sich so maximaler Spielspaß erhalten.
Der Trend zu kurzweiligen, schnellen Spielen entfaltet nicht nur bei Online Poker und Co. seine Wirkung: Insgesamt gibt es in Deutschland mittlerweile 34 Millionen Menschen, die mindestens gelegentlich am Handy, Tablet oder PC ihrer Spielleidenschaft nachgehen. Dieser Wert lag in den 80er Jahren noch in kaum erreichbarer Ferne, zu jenen Zeiten hatten fast nur junge Leute ein Faible für Computerspiele. Und natürlich nur diejenigen, die so etwas wie einen eigenen Computer bereits auf dem Schirm hatten, denn die virtuelle Welt war nur wenig bekannt.
Eintauchen und mitfiebern durch erhöhte Intensität des Spiels
Die Intensität eines Computerspiels besagt, wie real wir die jeweiligen Szenen empfinden, ob wir wirklich tief in ihnen eintauchen können. Grafik und Sound bilden in diesem Zusammenhang die beiden Hauptindikatoren, doch auch die bereits genannte Geschwindigkeit kann die Intensität unterstützen – oder blockieren. Wer ab 1990 den Adventure-Knaller Monkey Island gespielt hat und im Jahr 2010 die Special Edition LeChuck’s Revenge sein Eigen nennen durfte, wird genau wissen, worum es geht.
Natürlich handelt es sich bei diesem Spiel immer noch um eine Zeichentrickproduktion, die weder echte Menschen noch tatsächliche Gegebenheiten darstellen möchte. Doch allein die Darstellung des dreidimensionalen Raums hat sich innerhalb von 20 Jahren enorm verändert, ganz zu schweigen von der einst pixeligen Grafik, die mit der Zeit glatt und geschmeidig wurde. Die Bewegungen der Figuren erscheinen ebenfalls weniger eckig, Monkey Island hat seine moderne Ausdrucksform gefunden. So findet der Spieler sich auch in einem Raum voller Zeichentrickfiguren problemlos ein, sitzt gemeinsam mit Guybrush Ulysses Threepwood am Lagerfeuer, scheinbar bereit, eine zünftige Partie Omaha hi-lo oder Texas Hold‘Em zu spielen. Die Atmosphäre stimmt also schon mal, nun fehlt nur noch der richtige Tiefgang in Form einer greifbar dreidimensionalen Darstellung.
Denn: Es geht noch viel eindrucksvoller, nicht umsonst entwickeln wir uns aktuell in Richtung Virtual Reality und verstärkter Interaktivität. Die Oculus Rift gehört übrigens zu den meistgenutzten VR-Brillen auf der Plattform Steam, während die HTC Vive nur wenige Prozentpunkte dahinter rangiert. Es scheint aber, als würden die Nutzer noch auf bessere Angebote warten, denn die Nachfrage nach VR-Geräten steigt insgesamt nur langsam an. Wahrscheinlich sind es die noch hohen Preise und die wenig attraktiven Zusatzangebote, wie zum Beispiel interessante Spezialtitel, die den Markt so verhalten reagieren lassen.
Am virtuellen Effekt wird es jedenfalls nicht liegen, denn der ist heute schon grandios: Nehmen wir uns einfach mal Red Matter als relativ neues VR-Top-Adventure zur Brust. Die Spieldauer beträgt leider nur etwa vier Stunden, aber dafür liefert das Setting eine beeindruckende Science-Fiction-Welt mit begehbaren Landschaften und Räumen. Wer möchte nicht einmal auf dem Saturn spazieren gehen und dort wirklichkeitsgetreue Abenteuer bestehen? Im Vergleich zu Monkey Island, ob nun aus dem Jahr 1990 oder 2010, wirkt Red Matter wie ein hypermodernes Raumschiff im Vergleich zu einem VW Käfer. Das ständige Herumrätseln als wichtigster Inhalt ist allerdings bei beiden Spielen gleich, und das lässt die Spannung ganz von allein steigen. Ein interessanter Punkt am Rande: Die Monkey Island Special Edition enthält sogar die Option, auf die alte, verpixelte Darstellung zurückzugreifen. So entsteht ein witziger Anachronismus, der uns zeigt, dass nicht nur die Sehnsucht nach mehr Fortschritt, sondern auch nach Nostalgie besteht.
Künstliche Intelligenz macht den Rechner zu einem echten Gegner
Noch bis in die 80er Jahre hinein war ein Schachcomputer etwas ganz Besonderes, das sich nur betuchte Leute leisteten. Mit dem Aufkommen des C64 konnte plötzlich jeder Schach gegen den Computer spielen, allerdings meistens, um dabei haushoch zu gewinnen. Das machte die Sache nicht gerade spannend, steigerte aber das Selbstwertgefühl enorm. Ende 2017 war es dann aber endlich so weit, das Online-Journal welt.de meldete: „Künstliche Intelligenz beendet menschliche Dominanz“. Gemeint war die KI Alpha Zero, entwickelt von der Google-Tochter DeepMind. Dieses Programm schlug einfach jeden großen menschlichen Schachmeister und bezwang nebenbei auch das damals amtierende Weltmeister-Schachprogramm Stockfish.
Ja, die Zeiten, in der Computer nur schlichtweg Befehle ausführten, sind längst vorbei. Künstliche Intelligenzen sind in der Lage, dazuzulernen, eigene Strategien zu entwickeln und den Menschen auszubooten. Wenn beim Poker nicht auch eine gewisse Portion Zufall mit im Spiel wäre, dann hätten die technischen Supergehirne sicher auch schon hier ihre Gegner aus Fleisch und Blut überflügelt. Den strategischen Teil beherrschen auf Online-Poker programmierte KIs jedenfalls schon sehr gut. So berichtete zum Beispiel die FAZ Ende 2017, dass ein Computerprogramm in einem Pittsburgher Spielcasino den „besten Pokerspieler der Welt geschlagen“ haben soll. Es handelte sich um den damals 28 Jahre alten Dong Kim, der tatsächlich einen hervorragenden Ruf in der Poker Szene besitzt.
Es sind aber nicht nur die uralten Spieleklassiker, die der künstlichen Intelligenz erliegen. Auch Spieler des Horror-Adventures „Hello Neighbor“ müssen sich regelmäßig im Kampf gegen den trickreichen, vom Computer gesteuerten Nachbarn geschlagen geben. Der Gamer hat die Aufgabe, in dessen Haus zu gelangen und seine Geheimnisse zu ergründen, doch der Nachbar lernt beständig dazu und fällt bald schon nicht mehr auf die cleversten Tricks herein. Der User muss sich ständig etwas Neues ausdenken, um die KI zu besiegen und seine Mission zu erfüllen.
Wir erinnern uns: In Zeiten von Maniac Mansion und Zack McKracken reagierte der Gegner immer gleich, war leicht zu durchschauen und ebenso einfach zu umgehen. Wenn, ja wenn, die eigene Geschwindigkeit stimmte und man exakt pünktlich ohne streikenden Joystick mit seiner Handlung fertig wurde! Genau daran haperte es meistens, aber heute haben passionierte Gamer ganz andere Probleme.
Kurz und gut: Die Spielewelt hat eine wahre digitale Revolution hinter sich, und diese fand gleich auf mehreren Ebenen statt. Dadurch wurden unsere Games schneller, realistischer und intelligenter, sie fanden mehr Anklang in der Bevölkerung. Es sieht ganz so aus, als würde diese Entwicklung sich auch in Zukunft weiter fortsetzen, denn zu verbessern gibt es immer etwas, und sei es auch nur in Details.